Dieser Post ist an alle gerichtet, die so gerne auf ihrem Linux zusätzlich eine für Spiele nutzbare Windows-VM haben wollen ...
Entgegen manches Halbwissens kann virtuelle Hardware an sich keine für Spiele brauchbare Grafikpower bieten (außer die Spiele sind vor den Zeiten allzu dicker Grafikkarten).
VMwares virtuelle Grafikkarte in Workstation, Fusion und auch ESXi sind soweit aufgebohrt, damit die Windows Aero-Effekte funktionieren. Mehr geht damit aber nicht, von älteren Spielen mal abgesehen. Oder von der technischen Seite betrachtet: Die virtuelle Grafikkarte ist SVGA 2 ohne eine GPU. Und VMware hat auch kein Interesse daran, es zu ändern (Linux-Gamer sind definitiv nicht deren Zielgruppe, sondern professionelle Tester von Software sowie Entwickler).
Der ESXi-Server kann PCI(e)-Devices in der Tat an Gäste durchreichen. Allerdings kann man den ESXi-Server auch nicht am lokalen Gerät steuern sondern ausschließlich remote. VMware selbst unterstützt auch keine Grafikkarten-Durchreiche, das Feature (VMDirectPath) ist schließlich für Netzwerkkarten, RAID-Controller und andere Dinge aus dem klassischen Business-Bereich gedacht. Es soll erfolgreiche Durchreiche von GraKas gegeben haben, aber es ist wohl auf ein paar Modelle beschränkt und nicht wirklich was für Gamer.
Parallels ist auch nicht besser als VMware. Eine (teure) Ausnahme ist die sogenannte "Parallels Workstation Extreme". Mit ihr ist es tatsächlich möglich, native Grafikpower zu nutzen. Allerdings ist das Produkt recht teuer, es gibt keinerlei Möglichkeiten des Testens und als Linux-Host sind nur Distros mit Ableitung von RedHat möglich (also RedHats Enterprise-Produkte, die Fedoras sowie CentOS). Außerdem braucht man dazu als Hardware reelle Workstations oder ebenfalls nicht günstige Server-Hardware (Xeons und so). Da die Hardware-Infos nicht die neuesten sind, könnten auch die heutigen Desktop-Pendants ausreichen.
Oracles VirtualBox ist ne Ecke experimenteller und bietet durchaus erweiterte Grafik-Schnittstellen, allerdings ohne Zugriff auf die native Grafikkarte. Es gilt eigentlich auch hier das bereits Gesagte. Es gibt im VirtualBox-Forum allerdings einen gepflegten Thread mit Angeben zu nutzbaren und nicht-nutzbaren Spielen: http://forums.virtualbox.org/viewtopic.php?f=1&t=18953
Kommen wir zu Xen. Xen bietet in der Tat ganz offiziell und ordentlich mit der frischen Version 4 vollen Support für PCI(e)-Passthrough. Es werden Grafikkarten ausdrücklich mit eingeschlossen. Der Nachteil: Alle Distros außer die Enterprise-SuSE haben Xen fallen gelassen und es ist nicht in ihren Kerneln drin, vom offiziellen Kernel ganz zu schweigen. Ausnahme ist Debian, die haben da so nen halbgaren Xen-Kernel im Testing. Ist aber auch nichts wirklich praktikables. Wenn man also Xen 4 nutzen will, müßte man sich den Kernel schon selbst zusammenpatchen und kompilieren. Leider ist Xen 4 auf bestimmte Kernel-Versionen festgelegt, nämlich derzeit ganz genau 2.6.18 und 2.6.32. Andere Kernel werden nicht unterstützt. USB-Passthrough geht auch nicht (PVUSB ist noch nicht in Xen 4 implementiert) sowie noch weitere Dinge. Im Grunde lebt Xen nur noch wegen Citrix' XenServer.
Zu guter Letzt KVM: Machen wir es kurz, KVM bietet zwar derzeit PCI(e)-Passthrough, Grafikkarten gehen damit aber (noch) nicht. Es wird aber nach Aussagen der Entwickler dran gearbeitet. Eines der wohl schwierigsten Probleme sei, daß das VideoBIOS (ich hoffe ich irre nicht) in der VM nicht initialisiert werden kann. Damit ist ne Grafikkarte natürlich nicht nutzbar. Bis dahin ist man auf die Grafikpower aus QEMU angewiesen. Und die hat ja nicht mal ansatzweise 3D, geschweige denn DirectX-Support.
Zu Gute halten kann man KVM, daß es im Kernel ist, dort auch gepflegt wird und die Entwicklungsarbeit ein ordentliches Temp aufweist.
Alle diese Virtualisierer sind übrigens auch nicht in Kombination auf einer Maschine nutzbar. Na gut, man kriegt nicht bei jedem Produkt gleich ne Warnung aber ich rate dringend von solchen Experimenten ab. Grund: Alle diese Produkte nutzen Kernel-Module für den Zugriff auf das VT-Feature in der CPU. Und dabei können Kollisionen bei der Adressierung auftreten, denn es gibt bisher weder in den CPUs noch im Kernel eine Art "Wächter" für sowas. Das kann böse enden!
Noch was Generelles bzgl. virtueller Grafikleistung: Die sogenannten virtuellen Grafikadapter (also das was in der VM als Grafikkarte dargestellt wird) haben keinen reellen Bezug zur Grafikkarte auf dem Host. Bereits die 7er-Reihe von nVidias Produkten war der Leistung der virtuellen Adapter überlegen. Und eine bessere reelle Grafikkarte bringt den VMs an sich garnichts, die virtuelle Leistung bleibt gleich.
Und noch eine persönliche Note am Rande: Ich bekomme gelegentlich zu lesen, daß KVM nichts für die Desktop-Virtualisierung sei. Hab ich zu Letzt im aktuellen Kofler zu lesen bekommen. Ich kann dem nicht zustimmen. Klar, KVM an sich ist natürlich nicht einfach zu handhaben, aber dafür hat man doch so wunderbare Frontends wie AQEMU. VirtualBox würde ohne GUI ja auch nicht wirklich praktikabel sein.
Ich hoffe, daß ich ein wenig helfen konnte mit diesen Informationen. Wenn es nicht gewünscht ist, dann sage man es mir oder entferne es.
P.S.: Wenn sich was ändert an den Informationen, dann aktualisiere ich es.
Aktualisierung am 21.12.2010 (Erweiterte Hinweise zur Grafikleistung bei VMware)